Bruckmühl – Nach manchen Konzerten fühlt man sich rundumerneuert wie nach einem erfrischenden Bad. Voraussetzungen sind hohes interpretatorisches Niveau, ein interessantes Programm, das unter die Haut geht, und last but not least ein Publikum, das atemlos der Musik lauscht.
Alle diese Voraussetzungen waren erfüllt, als der Beurer Chor „Canta Rhei“ (Chorleitung Anna Töller, Dirigent Karl Prokopetz) in der gut gefüllten Kulturmühle das neue – und „weltliche“ – Programm präsentierte: Johannes Brahms, Max Reger und als besondere Überraschung von Edward Elgar eine Rarität hierzulande: „Scenes from the Bavarian Highlands“ op. 27.
Durchsichtig und glasklar
Die trockene Akustik des Saales könnte manchen Ensembles Schwierigkeiten bereiten: Jede Trübung und Unsauberkeit käme gnadenlos ans Licht. Die ungemein farbig abgestufte Harmonik von Brahms‘ „Sieben Lieder“ aus des „Knaben Wunderhorn“ und Paul Heyses „Jungbrunnen“ ließen die Tücken der Komposition vergessen. Durchsichtig, glasklar und in der Struktur für den Hörer gut nachvollziehbar klang der scheinbar oft „brummige“ Brahms wie neu, und durch ein frisches Tempo auch fernab jeder Betulichkeit.
Im ersten Lied „Rosmarin“ schwangen noch leicht wehmütige Töne mit, dann allerdings ging es bei „Von alten
Liebesliedern“ in die Vollen. Der Chor, nicht nur qualitativ beachtlich, sondern auch quantitativ, wusste jedes Detail, jedes quirlige Motiv überschäumend und doch präzise zu artikulieren. „Vergangen ist mir Glück und Heil“ leitete schlüssig über zur „Ballade H-Dur“, die der Pianist Christoph Declara bei langsamem Tempo und mit herabgedimmter Lautstärke nicht nur ausdrucksstark „erzählte“, sondern mit einer großen inneren Spannung erfüllte.
Mit zwei Gesängen „Im Himmelreich“ und „Abendgang im Lenz“ von Max Reger, dem Stiefkind des allgemeinen Musikbetriebs, durfte nun der Frauenchor zeigen, dass er Gefühl, Tonreinheit wie Klangsinnlichkeit unter einen Hut bringen kann. Die Frauen – eine starke und autarke Fraktion innerhalb von CantaRhei.
Sieben kurze Walzer von Johannes Brahms aus op. 39 steuerte nun Christoph Declara als Überleitung zum letzten Programmpunkt bei; Miniaturen, abwechslungsreich, besinnlich oder virtuos. Nach dem letzten Walzer war man überrascht, dass diese Folge schon vorbei ist. Der Pianist holte aus dem braven Flügel das Maximum an Delikatesse…
Edward Elgar – man kennt meist nur seine knackigen Märsche aus „Pomp and Circumstances“ – hat seine Urlaubsaufenthalte in Bayern bei Garmisch zum Ende des 19. Jahrhunderts musikalisch verewigt. Seine Frau Alice schrieb über die Garmischer Auszeiten Gedichte, und so wurde auch mal eine Ehefrau zur Muse ihres Gatten: „Komm und tanze froh mit mir, trink, mein Schatz, des helle Bier, hör wie froh es klingt!“
Keine tönenden Postkarten
Edward Elgar hat da keine nur nett tönenden „Ansichtskarten“ verfasst, sondern reizvolle und attraktive Kompositionen sozusagen mit der Pranke des Löwen geschaffen. Entsprechend hatte Christoph Declara nicht nur eine pure Begleitung zu bewältigen, sondern einen oft virtuos aufschäumenden „Orchesterpart“.
Karl Prokopetz hielt alle Fäden in der Hand, suggestiv und mit Temperament führte er den Chor. Die Augen der Sängerinnen und Sänger hingen mit Hingabe am Maestro… Der Ausklang des Abends? Siehe die Einleitung!