Feinfühlig und überraschend: das Adventskonzert des Chors „CantaRhei“ in Sankt Hedwig. © Prokop

Andächtige Stille in der sehr gut gefüllten Kirche; da beginnen sanft und in weichem Piano die Männerstimmen mit Anton Bruckners „Rorate coeli“.

Sie ziehen die Zuhörer vom ersten Ton an in den Bann. Und als die Frauenstimmen sich „einmischen“ (wahrhaftig, ein im besten Sinne gemischter Chor!), da wurde sofort die Intention der beiden Chorleiter der „Beurer CantaRhei“ klar: Anna Töller und Karl Prokopetz haken nicht einfach nur Literatur ab, sondern formen das vorgegebene Chorwerk ganz aus dem Geist des beseelten Tons. Eine schwebende Ausgeglichenheit der einzelnen Stimmen ist der Lohn einer intensiven Stimmbildungsarbeit. Leider trat wieder einmal der dumme Spruch in Kraft: „Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt…“ Da die grassierenden Erkrankungen auch den Beurer Chor nicht verschont hatten, stand die Realisierung des Konzert auf der Kippe. Kreativ wurde jedoch aus der Not eine Tugend gemacht und das Programm umgekrempelt: Einige Punkte mussten entfallen, dafür präludierte Karl H. Vater an der Orgel über das Lied „Wachet auf, ruft uns die Stimme“, das Lied, welches auch als Motto fürs Konzert diente und in das im späteren Verlauf die Zuhörer einstimmen durften.

Zwei weitere Einschübe gaben dem Konzert einen neuen Schwerpunkt: Einmal improvisierte Regine Prokopetz auf der Handpan, einem Flachkürbis nicht unähnlichen metallischen Gehäuse und entlockte diesem Instrument zart-schwingende, eindringliche Klänge. Nun wurde der vom Chor kultivierte beseelte Ton auch instrumental demonstriert. Und so war das Publikum genügend sensibilisiert, als es von Anna Töller animiert wurde selbst zu singen. Zunächst lang ausgehaltene Töne, welche den eigenen Körper zum Vibrieren brachten. Dann aber deutete Anna Töller, die feinfühlig-souveräne Chorleiterin, kleine melodische Phrasen an, die vom Publikum mühelos aufgenommen wurden. Diese interpunktierten als kurze Zwischenspiele die Strophen des vom Chor einstimmig gesungenen „Magnificat“. Den Chorgesang selbst grundierten die Zuhörer mit den bordunartigen (und konzertreif gebotenen!) Haltetönen. Ein toller Überraschungseffekt und so beinahe der emotionale Höhepunkt des Abends.

Doch vergessen wir nicht die fein ausgeleuchtete Polyphonie eines Palestrina oder das leidenschaftlich innige „Maria durch ein Dornwald ging“ von Gottfried Wolters, der sich, von 1910 bis 1989 lebend, größte Verdienste um die zeitgenössische Chormusik erworben hat. Schließlich kam auch noch ein Bach zu Wort, Johann Christoph Friedrich, einer der Söhne von Johann Sebastian. Seine Motette über das schon mehrfach erklungene Lied „Wachet auf“ erklang jetzt in kräftigem, jubelndem Forte auf den Text „Gloria sei dir gesungen mit Menschen- und mit Engelszungen“. Zum Abschluss noch ein klangvolles „Pater noster“ des lange vor Bach lebenden Jacobus Gallus.

Der Name des Chors „CantaRhei“ ist natürlich angelehnt an das griechisch-antike „Panta rhei“ – „Alles fließt“. Und so fließt auch die strömende Musik bei diesem Chor organisch, mit kleinen belebenden Strudeln, aber ohne aufgesetzte Effekte. So kann Musik auch ohne Swing oder Pop unter die Haut gehen…

Walther Prokop